Interessante Information aus Kassel in Hessen – Für viele Steuerpflichtige ist sie ein alljährliches Schreckgespenst: die Steuererklärung. Formulare, Belege, Fristen – und die Angst, etwas falsch zu machen. Doch das Finanzamt Kassel will genau das jetzt ändern. In einem innovativen Pilotprojekt erstellt die Behörde für rund 1.000 ausgewählte Personen die Einkommensteuererklärung automatisch. Die Betroffenen müssen anschließend nur noch zustimmen oder widersprechen.
So funktioniert das neue Verfahren
Das Pilotprojekt richtet sich zunächst an Steuerpflichtige mit einfach gelagerten Steuerfällen, zum Beispiel Angestellte ohne umfangreiche Nebeneinkünfte oder komplexe Absetzungsmöglichkeiten.
Der Ablauf:
- Automatische Datensammlung
Das Finanzamt greift auf bereits vorliegende Daten zu – etwa aus Lohnsteuerbescheinigungen, Rentenmitteilungen oder elektronisch gemeldeten Versicherungsbeiträgen. - Vorausgefüllte Steuererklärung
Die Behörde erstellt auf Basis dieser Daten einen fertigen Steuerentwurf. - Digitale oder postalische Mitteilung
Die betroffenen Steuerpflichtigen erhalten den Entwurf und können diesen prüfen. - Zustimmung oder Widerspruch
Wer einverstanden ist, gibt einfach grünes Licht. Wer Änderungen oder Ergänzungen hat, kann diese einreichen.
Chancen für Bürgerinnen und Bürger
Das Pilotprojekt könnte für viele eine deutliche Entlastung bringen:
- Zeitersparnis: Kein Ausfüllen komplizierter Formulare mehr.
- Fehlerreduktion: Automatisch erfasste Daten minimieren Übertragungsfehler.
- Niedrigere Hemmschwelle: Mehr Menschen könnten ihre Steuerpflicht korrekt und fristgerecht erfüllen.
Aus Sicht der Verwaltung ist dieses Projekt auch ein Imagegewinn – weg vom bürokratischen Hemmschuh, hin zu einem bürgerfreundlichen, digitalen Service.
Kritische Punkte & offene Fragen
Trotz aller Vorteile gibt es Punkte, die kritisch betrachtet werden sollten:
- Datenvollständigkeit: Liegen dem Finanzamt wirklich alle relevanten Informationen vor?
- Individuelle Besonderheiten: Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen könnten unter den Tisch fallen, wenn sie nicht automatisch erfasst werden.
- Datenschutz: Je mehr Daten automatisiert verarbeitet werden, desto höher sind die Anforderungen an die Sicherheit.
Blick in die Zukunft
Sollte das Projekt in Kassel erfolgreich verlaufen, könnte es bundesweit Schule machen. Länder wie Dänemark, Estland oder Schweden arbeiten bereits seit Jahren mit vorausgefüllten Steuererklärungen und berichten von höherer Akzeptanz und weniger Bürokratie.
Für Steuerberater bedeutet das jedoch: Die Rolle wandelt sich. Weg von der reinen Datenerfassung, hin zu Beratung, Optimierung und strategischer Steuerplanung.
Gerade, weil das Finanzamt künftig einfache Steuerfälle automatisiert abwickeln könnte, steigt der Bedarf an qualifizierter Prüfung dieser Entwürfe. Steuerberater können so gezielt sicherstellen, dass individuelle Besonderheiten wie Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen oder steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten nicht übersehen werden.
Das eröffnet neue Möglichkeiten:
- Mandantenbindung durch Mehrwert-Services – Wer seinen Mandanten proaktiv anbietet, die vom Finanzamt erstellte Erklärung zu überprüfen, zeigt Kompetenz und baut Vertrauen auf.
- Fokus auf komplexe Fälle – Während Standardfälle automatisiert werden, können Berater ihre Ressourcen auf anspruchsvollere Mandate mit höherem Beratungsbedarf konzentrieren.
- Strategische Steuerplanung – Mehr Zeit für vorausschauende Gestaltungen wie Investitionsentscheidungen, Altersvorsorge oder Unternehmensnachfolge.
- Digitalisierungsvorsprung nutzen – Kanzleien, die sich jetzt auf diese Veränderungen einstellen, positionieren sich als moderne, zukunftsorientierte Partner.
Auch für Mandanten lohnt es sich:
- Zeiteinsparung durch vorausgefüllte Erklärungen.
- Schnellere Steuererstattung, wenn der Entwurf zügig geprüft und bestätigt wird.
Kurz gesagt: Dieses Pilotprojekt könnte den Weg für eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Steuerpflichtigen und Beratern ebnen – mit weniger Papierarbeit, dafür mehr individueller Beratung, die echten finanziellen Mehrwert schafft.
Wenn sich das Modell bewährt, könnte es die Steuerlandschaft in Deutschland nachhaltig verändern.